Gastbeitrag von Florian Müller
Die Digitalisierung wird zukünftig auch den Bankensektor
gehörig umwälzen. Einerseits nimmt das Filialsterben der Bankfilialen weiter in
großem Tempo zu, andererseits sollen Bankberater zukünftig durch Roboter, auf
neudeutsch „Robo Advisor“, ersetzt werden. Dies sind die ersten Anzeichen für
einen schnellen Innovationsprozess der sogenannten FinTech-Unternehmen, die mächtig
auf das Gaspedal drücken um den Wandel in der Finanzindustrie endgültig einzuläuten.
Die Startups hier in Frankfurt sind deutlich schneller in der Umsetzung, als
die viel zu langsam agierenden Platzhirsche der großen renommierten Banken.
FinTech steht für Financial Technology - darunter fallen alle elektronischen
Technologien rund um das Thema Finanzdienstleistung. Die Start-ups und
Unternehmen im FinTech-Segment wildern meist in den Geschäftsfeldern der
angestammten Banken und Versicherungen. Die Bandbreite der Firmen im Segment
reicht von mobilen oder webbasierten Zahlungssystemen über Kontoverwaltung bis
zu Anlagekonzepten und –strategien die individuell zusammengestellt werden
können. Diese sind grafisch sehr schön dargestellt und plastisch
veranschaulicht.
Solche Gedankenspiele sind nicht mehr weit weg von der
Realität. Das Retailbanking, sprich die Privatkundenbetreuung, kann heutzutage
fast schon komplett online abgedeckt werden. Von der Kontoeröffnung über Depot,
Steuer und Anlageallokationen mit verschiedenen Anlageklassen – alles kann
online abgeschlossen und verwaltet werden. Einfach, problemlos und schnell geht
die Abwicklung. Ein Manko sehe ich allerdings doch in der zukünftigen
Entwicklung: den persönlichen Austausch mit einem Ansprechpartner in der Bank
halte ich für essentiell wichtig und nicht ersetzbar. Der Aufbau von Vertrauen in
die andere Person und der individuelle Austausch zwischen zwei Menschen sind entscheidende
Faktoren bei einer Beratung des Kunden. Des Weiteren ist Diskretion eine der
obersten Prämissen in der Betreuung von Kunden. Wer spricht auch schon gerne
mit einem Computer über seine Finanzen? Wer gewährleistet die Sicherheit der
Daten und den Schutz der Person, falls die gespeicherten Daten in falsche Hände
geraten?
Natürlich fehlen bei dieser Interaktion die menschlichen
Züge, die ein Roboter nicht hat. Aber gerade Gefühle und ein gewisses Gespür
spielen beim menschlichen Miteinander eine wesentliche Rolle. Insofern bleibt
abzuwarten, ob sich der Robo Advisor durchsetzen wird. Realistisch erscheint
mir, dass der Roboter eine nützliche Zusatzfunktion erfüllt; er übernimmt zum
Beispiel Verwaltungsfunktionen für ein Anlagedepot, er erstellt Verträge und
bietet Informationen zur Produktpalette. Aber einen Berater in Fleisch und Blut
komplett ersetzen? Das traue ich dem Roboter einfach nicht zu. Seinen Platz
findet er wie oben erwähnt bei automatisierten Vorgänge in der Abwicklung und
Bereitstellung von Dokumenten, Verträgen etc.. Ergo als Unterstützungsfunktion
im Sekundärbereich um den Berater ergänzend zu helfen.
Fazit
Ich halte die hundertprozentige digitale Durchdringung
und Automatisierung des Finanzsektors für nicht wünschenswert, denn auch dieses
System ist fehleranfällig. Das Vertrauen in den Kollegen Computer ist ja ganz
schön, aber ein Fehler im Algorithmus eines Programms, ein Kurzschluss beim
Strom und schon sind die Probleme vorprogrammiert. Es gilt, den Spagat zu
schaffen zwischen den Vorteilen der digitalen Welt und den Vorteilen der
herkömmlichen, der realen Welt. Der forsche Drang der FinTech-Unternehmen, die
Bankenwelt zu revolutionieren könnte auch nach hinten losgehen. Eine
Roboterkompanie, die mich und meine Finanzen durchleuchtet, möchte wohl kein
normaler Mensch auf Dauer haben. Punkt aus, basta. Erst neulich war ich auf
einer Marketingkonferenz vom Verband unabhängiger Vermögensverwalter, die dieses
Thema priorisiert hatten. Es war ein unheimlicher Andrang dort und die
Neugierde war enorm hoch. Letztendlich wurde viel debattiert, wie und inwiefern
man die Start-ups ernst nehmen soll. Das Thema polarisiert sehr und es bleibt
wahnsinnig spannend wie es in diesem Bereich weitergehtZum Autor
Florian Müller sammelte schon als Autor umfassende praktische
Erfahrungen in der Finanz-Branche. Fasziniert von der Börse setzte er sich mit
Warren Buffett und dessen Anlagestrategie, dem Value Investing, auseinander. Derzeit arbeitet bei
einer unabhängigen Vermögensverwaltung in Frankfurt am Main und betreue dort wohlhabende
Kunden. Nebenbei hat er einen eigenen Blog www.boerseneinmaleins.de, mit dem er
„Otto Normalverbraucher“ über die Grundlagen zielgerichteten Investierens
informiert. Zusätzlich kommt dieses Jahr sein erstes eBook raus mit einer
Bedienungsanleitung für den Otto Normalverbraucher, wie man Geld anlegt.